B

Ministerpräsident Orbán: Europa braucht ein stabiles Ägypten

Nach seinem Treffen mit dem „sunnitischen Papst“ sprach der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán diese Woche in seinem regelmäßigen Radio-Interview über Europas katastrophale Interventionen in der islamischen Welt sowie über die Notwendigkeit eines stabilen Ägyptens und der erneuten Stabilisierung Libyens. Er sprach auch vom Brexit-Referendum und den Gefahren des wachsenden demokratischen Defizits in der derzeitigen Europäischen Union.

„Wir [Europäer] haben [in letzter Zeit] in drei Ländern interveniert, nämlich Irak, Syrien und Libyen. Alle drei fielen auseinander. Die verrückte Idee eines Demokratie-Exports, bei dem wir versuchen, Menschen anderer Kulturen mit Definitionen aus der europäischen Kultur zu beglücken, ist gescheitert. Demokratie lässt sich nicht exportieren“, merkte Ministerpräsident Orbán an. Stattdessen sollte sich Europa auf die eigenen Interessen konzentrieren, und das ist eine stabile Nachbarschaft. Orbán erinnerte seine Zuhörer, dass Europa von einer Migrationswelle überrollt wurde, mit dessen Bewältigung der Kontinent noch immer noch schwer ringt, seit Syrien, ein Land mit 30 Millionen Einwohnern, destabilisiert wurde. „In Ägypten leben 90 Millionen Menschen“, daher diene ein stabiles Ägypten „den Interessen Ungarns und auch der Europäischen Union.“

Orbán betonte auch die Wichtigkeit der Stabilität in Libyen. Europa habe zwei Möglichkeiten: auf der einen Seite „komplette Unterstützung für die libysche Regierung“, was auch die Erlaubnis beinhalten sollte, libysche Soldaten neu zu bewaffnen, da es sonst „niemanden geben wird, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.“ Europa dürfe nicht halbherzig bleiben, wenn es um die Unterstützung der libyschen Regierung geht. „Oder,“ sagte er, „wir müssen die internationale Genehmigung einholen, um an Land gehen zu dürfen“, um Flüchtlingslager zu errichten und die Sicherheit mit europäischen Kräften sicherzustellen. Es gebe keine andere Lösung, und Europa müsse entscheiden, welche der beiden die beste ist.

„Dass es auf der Erde verschiedene Kulturen gibt, bedeutet nicht, dass diese kämpfen müssen. Wir können in Frieden Seite an Seite mit der muslimischen Welt leben. Nicht mit ihr vermischt, sondern neben ihr. Das ist ein christlicher Standpunkt, den Muslime gerne akzeptieren“, bemerkte Orbán nach seiner Begrüßung durch Ahmed el-Tayeb, Großimam von al-Azhar, den Orbán als den „Papst der sunnitischen Welt“ bezeichnete. Laut Orbán bedeute das nicht, dass wir ihre Regeln übernehmen wollen, doch „wir respektieren ihre Regeln und erwarten, dass sie unsere Regeln respektieren.“

Ein guter Christ, meint Orbán, „kann nicht anti-muslimisch sein“, da die muslimische Kultur und Religion respektiert werden müssen. Die Szenen an den europäischen Grenzen und in den Aufnahmelagern vermitteln jedoch die Botschaft, dass die Ankommenden unsere Kultur nicht respektieren. Die Migrationswelle, in der „Männer Zäune zerstören und jemand einer Frau in Bicske [die ungarische Ortschaft mit Aufnahmelager] erklärte, sie solle glücklich sein, dass er sie nicht vergewaltigt, ist kein Teil der muslimischen Kultur.“

Orbán traf sich auch mit koptischen Christen, von denen einige Verwandte in Libyen verloren haben, weil diese wegen ihres Glaubens hingerichtet wurden. Diesen Menschen muss geholfen werden, und Ungarn hilft ihnen vor Ort zu Hause beziehungsweise dort, wo sie wohnen. „Wir haben eine moralische Verantwortung und wir tun, was wir können“, sagte er, doch der Premierminister mache keinen großen Aufruhr um die Sache, denn er hält ein solches Verhalten für unaufrichtig.

Ein Sturm naht dem Europa von heute. Das liegt laut Ministerpräsident Orbán zum Teil am bevorstehenden Brexit-Referendum, vor dem Staats- und Regierungschefs den Atem anhalten. Es sei in Ungarns Interesse, dass Großbritannien in der EU bleibt, und Ungarn „ist stolz darauf, in einer Allianz mit den Briten zu sein.“

Aber das sei nicht der Hauptgrund für die Anspannung.

Die wahre treibende Kraft hinter der wachsenden Anspannung in Europa ist, dass europäische Staats- und Regierungschefs in gewissen Themen, wie Einwanderung, den Willen der eigenen Bevölkerung ignorieren. „Die eigenen Leute lehnen ab, was Europa heutzutage macht. Das wird zu einem Problem“, sagte Orbán und fügte hinzu: „Ich habe noch nie einen einzigen Fall erlebt, in dem es das Volk war, das am Ende seinen Standpunkt geändert hat.“

 

Dieser Artikel ist eine Übersetzung des Originals aus dem Englischen, welches hier erschienen ist.