B

Offen gesagt, Herr Clinton, haben wir genug eigene Helden, denen wir unsere Demokratie verdanken

Als der frühere US-Präsident Bill Clinton diese Woche behauptete, Ungarn und Polen schulden ihre Freiheit dem „langen Kalten Krieg“ und den Vereinigten Staaten von Amerika, demonstrierte er damit nicht nur seine außerordentliche Unkenntnis über die ungarische Geschichte, sondern auch über die europäische Geschichte und die globale politische Landschaft.

Wie Politico berichtete, hielt sich Clinton nicht zurück:

„Polen und Ungarn, zwei Länder, die ohne die Vereinigten Staaten und dem langen Kalten Krieg keine Freiheit genießen würden, haben sich inzwischen entschieden, dass ihnen diese Demokratie zu viel Mühe macht“, sagte Clinton am Freitag bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Frau Hillary, der Spitzenreiterin im Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten, in New Jersey. „Sie wollen eine Regierung wie unter Putin: Gebt mir einfach nur einen autoritären Diktator und haltet die Ausländer fern.“

Davon abgesehen, dass sich seine Aussagen jeder Grundlage entziehen, beleidigen sie die Bevölkerung unserer großartigen Nationen. Sein verbaler Gefühlsausbruch passierte während einer Wahlkampfveranstaltung für die Vorwahlen in New Jersey, um für die Unterstützung seiner Frau Hillary zu werben, die sich schwer um die Nominierung ihrer Partei bemüht. Wenn man in der Videoaufnahme betrachtet, wie er auf dem Podium auf- und abschreitet, kann man förmlich die Kritiker hören, die meinen, er sei für ihre Kampagne zu einer Bürde geworden.

Aber der Hinweis, Clinton habe einen weiteren schlechten Tag gehabt und sei nicht in Topform, reicht nicht aus, um sein Verhalten zu erklären. Er sollte es besser wissen. Ehrlich gesagt, sollten Persönlichkeiten wie der ehemalige Präsident und andere wichtige Persönlichkeiten, die diese haltlose Kritik nachplappern, wissen, dass ihr Verhalten überhaupt nicht hilfreich ist. In Zeiten, in denen gewisse politische Fraktionen liebend gerne einen Keil zwischen osteuropäische NATO-Mitglieder und unsere Verbündete im Westen treiben würden, sind solche elendig schlecht informierten, verantwortungslosen Sticheleien unserer gemeinsamen Sache nicht gerade dienlich.

Zahlt es sich aus, Langzeitverbündete in der Region zu verstimmen, insbesondere Länder, die Clinton bei kontroversen Interventionen, wie jene in Südosteuropa, unterstützt haben?

Die Völker Ungarns und Polens haben beide zu Recht mit Entrüstung auf diese beleidigenden Aussagen reagiert. Jene, die sich nicht zum Fanclub der Vereinigten Staaten zählen, sehen darin „typische amerikanische Arroganz“ und „fehlendes regionales Verständnis“. Gleichzeitig behaupten jene Politiker in der Region, die um die Sympathien der Wähler ringen, dass an den Worten von Clinton etwas Glaubhaftes daran sei.  

Besorgniserregender ist jedoch, dass es jenen von uns, die sich als Freunde der Vereinigten Staaten sehen, immer größere Schwierigkeiten bereitet, dass Polen und Ungarn natürliche NATO-Verbündete sind. Aus den radikalen Sümpfen erschallen beim Erspähen dieser leichten Beute Kritik und Schimpftiraden, von wegen „Ich hab's doch gleich gesagt!“.

Die Worte des ehemaligen Präsidenten wurden schnell zur Grundlage diverser Witze in den sozialen Medien. Es wäre wohl unpassend, manche dieser Witze, insbesondere die mit etwas mehr Pfeffer, an dieser Stelle zu erwähnen. Der Chef der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, Jarosław Kaczyński, hat in aller Klarheit folgendes gesagt: „Wenn jemand glaubt, es gäbe keine Demokratie in Polen, sollte er sich medizinisch untersuchen lassen.“

Vielleicht sollten die Bemerkungen Clintons als schlecht gearteter Witz auf dem politischen Misthaufen zurückgelassen werden. Denn wenn wir diese Kommentare ernst nehmen und einen Blick zurück in die Geschichte werfen, sieht das Bild schon deutlich anders aus. Aus den Fakten wissen wir, dass die Ungarn vor 60 Jahren, im Jahr 1956, eine Revolution gegen die Sowjets geführt haben.  Die Vereinigten Staaten halfen nur mit Worten und meinten, dass NATO-Truppen auf dem Weg wären, um Ungarn zu helfen, seine wiedererlangte Freiheit zu verteidigen. Die US-Propaganda war so überzeugend, dass die Sowjetunion mehrere Tage lang auf die Intervention wartete. Letztendlich hat der Westen den ungarischen Freiheitskämpfern keine Hilfe entsandt, und die einmarschierenden Truppen nahmen blutige Rache. Die Ungarn wurden dem mehrere Jahrzehnte andauenden Leiden unter der sowjetischen Besatzung und der kommunistischen Diktatur ausgesetzt. 

Natürlich verdienen die Amerikaner Anerkennung für die Jahre danach, in denen sie unsere Freiheitsbemühungen unterstützt haben. Das gilt insbesondere für Präsident Reagan, für den die ungarische Regierung im Jahr 2011 zum Gedenken an seine bedeutende Rolle in den 1980er-Jahren eine Statue enthüllte. Aber Clinton muss verstehen, dass er seine Worte vorsichtig wählen muss, wenn er Ungarn, Polen und den Kalten Krieg in einem Satz erwähnt, außer er hat Gründe, um Freunde der Vereinigten Staaten zu beleidigen.

Polen, und nicht zuletzt seine derzeitige Regierungspartei, war in den letzten Jahren unter den entschiedensten Kritikern russischer Interventionen in ehemals sowjetischen Ländern. Wenn nun ein ehemaliger US-Präsident zu Unrecht die eigenen Verbündeten an den Fronten der europäischen Flüchtlingskrise und der regionalen Konflikte belehrt, und obendrein vom Kalten Krieg spricht, dient das nur der russischen Agenda. Es ist ähnlich, als würde man die demokratisch gewählte Regierung Israels nicht respektieren – es schadet nur US-Interessen in der Region. 

Es ist seltsam, dass die Clintons im Wahlkampf von Hillary Clinton außenpolitische Themen nutzen, um zu erklären, dass der Präsident der Vereinigten Staaten alle Verbündeten respektvoll behandeln muss. Es ist nämlich gerade der ehemalige Präsident Clinton, der diese Grenze überschreitet. 

Heutzutage genießen die Bewohner von Polen und Ungarn die Freiheit, in funktionierenden Demokratien mit unseren demokratisch gewählten Regierungen zu leben. Manche im Westen tun sich schwer, einige politische Grundsätze unserer Regierungen zu verstehen, und sie mögen den Wahlkampf-Sponsoren von Clinton und den Superdelegierten nicht schick erscheinen, jedoch genießen sie weiterhin die klare Unterstützung polnischer und ungarischer Wähler. Ich kann Ihnen versichern, dass man uns andernfalls ziemlich schnell die Tür zeigen würde. Ja, Herr Präsident, unsere Wähler haben auch nach wie vor diese Macht. Und 60 Jahre nach der Revolution von 1956, als zahllose Ungarn ihr Leben für unsere heutige Freiheit geopfert haben, sind wir den USA vielleicht dankbar für ihre Rolle im Kalten Krieg, dennoch haben wir genügend eigene Helden, denen wir unsere lebendige Demokratie verdanken können.

 

Dieser Artikel ist eine Übersetzung des Originals aus dem Englischen, welches hier erschienen ist.