Vielen Dank, Peter Foster, für die neueste Fortsetzungsfolge der journalistischen Berichterstattung über Ungarn. Foster, der Viktor Orbán als unseren „kampflustigen Premierminister“ bezeichnet – so viel zum Thema objektive Berichterstattung! –, beschreibt Ungarn als ein Land, in dem die Menschen in einem Klima der Angst leben. Ungarn sei eine „sterbende Demokratie“, in der es keine gleichen Wettbewerbsbedingungen gibt.
Schauen wir uns doch einmal diese „sterbende Demokratie“ genauer an, in der die Menschen in einem „Klima der Angst“ leben.
Seit 2010 ist die Zahl der Ehen in Ungarn um beachtliche 43 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Scheidungen von 24 Tausend auf 18 Tausend. Die Beschäftigungsquote von Frauen hat ein Allzeithoch erreicht, während die Zahl der Abtreibungen um fast ein Drittel gesunken ist. Die Fruchtbarkeitsrate liegt bei nur 1,49 – immer noch zu niedrig –, aber es ist ein klarer Anstieg von den 1,25 im Jahre 2010.
Das strahlt Optimismus und Zuversicht aus. Dies ist kein typisches Verhalten für eine Bevölkerung, die in einem „Klima der Angst“ lebt.
Und kein Wunder. Ungarns BIP-Wachstum steht in der EU an erster Stelle. Die Arbeitslosigkeit hat einen historischen Tiefstand erreicht. Die Zinsen bleiben niedrig und die Reallöhne steigen.
Die Kritiker der Orbán-Regierung, auf die sich Foster stützt, behaupten gern, dass die Menschen in Massen abreisen. Tatsächlich ist es aber so, dass die Ungarn heutzutage nach Ungarn zurückkehren. Nach der Finanzkrise von 2008 und nach einer Zeit, in der in Ungarn die Arbeitslosigkeit hoch und die Reallöhne im Vergleich zu den westeuropäischen Arbeitsmärkten niedrig war, dreht sich der Brain Drain jetzt um. Statistiken zeigen, dass der Aufwärtstrend der Abwanderung ungarischer Staatsbürger im Jahr 2015 zu Ende ging und die Zahl der zurückkehrenden Personen die der Abwanderung weit übertrifft.
In diesem Klima der Angst haben die Ungarn solche Angst, dass sie zurückkommen.
Die Orbán-Regierung, erfährt Foster aus seinen Quellen, kontrolliert die Medien. Folgendes haben sie ihm nicht gesagt:
Der mit Abstand größte Zuschauermarktanteil im Fernsehen gehört RTL Klub – und 71 Prozent der Ungarn beziehen ihre Informationen aus dem Fernsehen. RTL Klub ist eindeutig keine Regierungspropaganda. Mindestens vier der fünf Top-TV-Programme gehören Woche für Woche zu RTL Klub.
Rund 35 Prozent der Ungarn beziehen ihre Nachrichten und Informationen aus dem Internet. Wer hat das größte Online-Publikum? Index.hu, eine Nachrichtenplattform, die die Orbán-Regierung scharf kritisiert und gleichzeitig die beliebteste ungarische Website im Internet ist. Unter den Top 100 ungarischen Websites finden sich laut DKT, der den Publikumsanteil misst, Medien, die für die Regierung als sympathisch angesehen werden könnten, mit rund 1,7 Millionen Seitenabrufen täglich. Online haben die regierungskritischen liberalen Medien täglich 3,5 Millionen Seitenabrufe – mehr als das Doppelte. Die freie Presse ist eindeutig im Belagerungszustand.
Letzten Sonntag wurden Wahlen zum Europäischen Parlament abgehalten. Die Wahlbeteiligung in dieser „sterbenden Demokratie“ lag bei 43,36 Prozent, dem höchsten Wert, den wir je für eine EP-Wahl hatten. Dies ist in Ungarn eine Steigerung von 29 Prozent gegenüber der Wahlbeteiligung in Großbritannien von nur 36,9 Prozent. Eine Oppositionspartei, die kaum seit zwei Jahren existiert, hat fast zehn Prozent der ungarischen Stimmen abgeräumt, was in einer sterbenden Demokratie seltsam ist. Ich mein‘ ja nur…
Wir haben buchstäblich Hunderte solcher Artikel gesehen, seit die Orbán-Regierung 2010 bei einem Erdrutschsieg von historischem Ausmaß eine Zweidrittelmehrheit im Parlament errungen hat: Ein ausländischer Journalist kommt nach Ungarn und engagiert einen einheimischen Informanten, der ein überzeugter liberaler Kritiker dieser konservativen Regierung ist, der seine Interviews arrangiert und als Übersetzer fungiert, dabei stützt er sich fast ausschließlich auf linksliberale Quellen. Das Ergebnis ist sensationell lesbar, aber völlig aus dem Gleichgewicht, ohne genaue Kenntnis der Fakten und nicht etwas, was wir als Journalismus bezeichnen könnten.