Nach einem ökumenischen Gottesdienst in Sopron, der heute in Gedenken an den 30-jährigen Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks (mehr über die Geschichte des Picknicks hier) abgehalten wurde, sprachen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán vor der feiernden Menge.
„Freiheitskämpfer wie wir wussten auch in Zeiten der Spaltung immer, dass es nur ein einziges Europa gibt“, sagte Premierminister Orbán und fügte hinzu, dass Europa wiedervereinigt sei, weil wir daran geglaubt haben. Der Ministerpräsident betonte, die Ungarn haben sich immer für die deutsche Wiedervereinigung eingesetzt, weil dies unser einziger Ausweg aus dem Sowjetblock war.
„Wir Ungarn haben unser Verhältnis zu Deutschland immer in besonderer Weise gewahrt", sagte der Ministerpräsident. „Es ist älter als das Picknick in Sopron, älter als unsere gemeinsamen Niederlagen im 20. Jahrhundert“, sagte er und erinnerte daran, dass Ungarns erster König, der Heilige Stephan I., seine Krone zwar aus Rom holte, aber eine Frau aus Bayern auswählte.
„Staatsgründung, Grenzöffnung, außergewöhnliche deutsch-ungarische Beziehungen – all dies deutet auf ein starkes Europa hin“, beendete der Ministerpräsident seine Rede, bevor er das Wort an Angela Merkel weitergab.
„Sopron ist ein Beispiel dafür, wie viel wir Europäer erreichen können, wenn wir für unsere unteilbaren Werte mutig einstehen“, begann die deutsche Bundeskanzlerin ihre Festtagsrede und dankte den Ungarn für ihren Mut vor dreißig Jahren. Damals, im Jahre 1989 wussten alle genau, wie die Sowjets über die Freiheit trampelten, betonte Merkel. „Aber die ungarischen Grenzschützer schossen nicht. Sie ließen die DDR-Bürger ziehen. Sie bewiesen Mut, indem sie Menschlichkeit über Dienstvorschriften stellten“, sagte sie.
„Sopron steht für Solidarität, Freiheit und Frieden – für ein menschliches Europa“, sagte Merkel und erinnerte daran, dass nationales Wohl immer auch vom europäischen Gemeinwohl abhängt. Deshalb kann „Europa nur so stark sein, wie es geeint ist – wie wir uns also auch in strittigen Fragen bereit und fähig zum Kompromiss zeigen.“
Nach Ansicht der Kanzlerin gestalten heute „Ungarn und Deutschland gemeinsam die Zukunft eines vereinten Europas.“ Sie schlug vor, dass Europa den Weg der Freiheit und der Einheit einschlagen solle, eine Richtung, die durch die Erinnerung an das Paneuropäische Picknick gestärkt wird.
„Genau deshalb bedeutet es mir sehr viel, lieber Viktor Orbán, heute hier an diesem Ort zu sein, an dem vor 30 Jahren Weltgeschichte geschrieben wurde“, schloss die Kanzlerin ihre Ausführungen ab.
Die beiden Regierungschefs wandten sich im Anschluss an die Veranstaltung auf einer Pressekonferenz aktuellen Themen zu.
„Vor dreißig Jahren haben wir die Mauern niedergerissen, damit wir in Freiheit und Sicherheit leben können. Jetzt schützen wir die Grenzen, damit wir weiterhin in Freiheit und Sicherheit leben können“, sagte Premierminister Orbán, und fügte hinzu, dass es zu erwarten wäre, dass die Europäische Union mindestens 50 Prozent aller Kosten für den Grenzschutz übernimmt, da Ungarn die Schengen-Grenze beschützt.
Bundeskanzlerin Merkel lobte Ungarn für die Nutzung der Kohäsionsressourcen der EU und erklärte, dass sie angemessen investiert werden, um sicherzustellen, dass „das Land sich auch in Zukunft entwickelt.“ In Bezug auf die Migration sagte die deutsche Bundeskanzlerin, dass der Schutz der Grenzen weiterhin oberste Priorität habe, da nur so der Schengen-Raum erhalten werden könne.
Zurück zum Thema der bilateralen Beziehungen sagte Premierminister Orbán: "Es gibt keine Konflikte am deutsch-ungarischen politischen Horizont.“